Während meiner Zeit in Japan war ich bei den verschiedensten Veranstaltung und wie überall auch, gibt es dazu nicht immer nur fröhliche Anlässe. Vor einem Jahr war ich das erste Mal bei einer Trauerfeier und Beerdigung, welche ziemlich feierlich und beeindruckend gewesen ist. Andere Länder bedeutet meist andere Kulturen, was man auch immer wieder beim Umgang mit den eigenen Toten feststellen kann.
In Japan werden die Verstorbenen fast immer kremiert und 49 Tage danach wird die Urne mit Asche und Knochenresten dann in das Familiengrab eingegeben. Die Seele des Verstorbenen ist nun auf der Reise ins Nirvana und löst sich letztendlich von seinem vorherigen Erdenleben. Nun ja, die japanischen Beerdigungsrituale folgen buddhistischen Zeremonien und sind oft sehr komplex und auch für Japaner nur schwer zu erklären und komplett zu verstehen. Aber im letzten Jahr konnte ich doch ein noch tieferes Verständnis für die Japaner und ihre Gesellschaft und Kultur entwickeln.
Mit der Beisetzung sind die Trauerrituale aber noch nicht vorbei, denn im Abstand von verschiedenen Jahren treffen sich die Hinterbliebenen an den Todestagen der Verstorbenen und erinnern sich ihrer und gedenken ihrer Seelen.
Der erste solcher Jahrestag ist ein Jahr nach dem Tod, und wird "Isshuki" genannt. Gefolgt wird dieser von "San-kaiki", zwei Jahre nach dem Tod.
Danach werden die Todestage wie folgt begangen:
Nana-kaiki: 6 Jahre nach dem Tag des Todes
Jusan-kaiki: 12 Jahre nach dem Todestag
Junana-kaiki: 16 Jahre nach dem Todestag
Nijusan-kaiki: 22 Jahre nach dem Todestag
Nijunana-kaiki: 26 Jahre nach dem Todestag
Sanjusan-kaiki: 32 Jahre nach dem Todestag
Sanjunana-kaiki: 36 Jahre nach dem Todestag
Yonjusan-kaiki: 42 Jahre nach dem Todestag
Yonjunana-kaiki: 46 Jahre nach dem Todestag
Goju-kaiki: 49 Jahre nach dem Todestag
Hyakkaiki: 99 Jahre nach dem Todestag
Bei uns war es nun also Isshuki, und dafür traf unsere kleine Trauergemeinde zuerst im Hause der Verstorbenen, wo ein Mönch vor dem Hausaltar der Familie verschiedenen Sutren aufsagte. Anschließend ging es zum Tempel, dem die Familie angehörte, wo sich diese Zeremonie noch einmal wiederholte. Abschließend zogen alle noch zum Familiengrab, wo der Mönch weitere Gebete sprach und die Angehörigen Kerzen oder Weihrauch anzündete und Blumen hinterlegte. Jeder der Anwesend trat nun vor und sprach leise ein kleines Gebet oder Wunsch und damit war zeremonielle Teil der Veranstaltung beendet.
Nun ging es zum eher feierlichen Teil über, bei dem sich alle Anwesenden noch einmal zu Essen und Trinken zusammensetzten und über Gott und die Welt, über die Verstorbene aber auch über die noch lebenden sprachen und sich doch recht angeregt unterhielten. Die Speisen waren von recht hoher Qualität und wie üblich in Japan sehr ansprechend angerichtet und serviert. Dazu wurde nach Wunsch auch Alkohol gereicht, was ziemlich anregend für die Stimmung einiger der Gäste gewesen war. Aber auch hier sollte man sich eingestehen, dass jeder von uns auf seine eigen Art mit solchen Anlässen umgeht, und das man auch bei Trauerfällen den Blick immer auch in die Zukunft richten sollte.
Für mich war mein erstes Isshuki eine interessante Erfahrung, welche mich wieder einmal ein wenig mehr mit Land und Leuten hier in Japan verbunden hatte. Auch wenn der Anlass nicht der fröhlichste gewesen ist, war er doch auch angefüllt mit menschlicher Wärme und auch mit herzlichem Lachen. Unser Leben auf der Erde geht weiter, auch wenn einige unserer Lieben nicht mehr unter uns sind. Solch ein Verlust ist immer schmerzlich und leider kann der Schmerz und die Trauer manchmal für eine lange Zeit anhalten. Und auch wenn es wichtig ist, sich immer genau zu vergewissern, was gewesen ist und woher wir gekommen sind, sollten wir trotzdem versuchen, unseren Blick nach vorne zu richten, auf das, was wir haben und das, was wir noch erreichen wollen. Unsere Zukunft die ist jetzt, und diese Zukunft will von uns gelebt werden.