Ein Telefonat vor dem Weltkrieg

in #dach2 years ago

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Photo von Pixabay

„Hättest du gedacht, daß wir den dritten Weltkrieg erleben?“, fragte mich beim Telefonieren ein alter Freund.

Unsere Freundschaft begann ungewöhnlich. Ich kam gerade vom Sportunterricht, als mich ein wildfremder Kerl im Flur ansprach:
„Was machst du am Wochenende?“
Vollkommen verdutzt starrte ich ihn an. Neben ihm stand seine bildhübsche Freundin, die mich ganz schüchtern machte. Beide kamen sie aus einer anderen Nachbarschaft als Ich – einer gehobenen, in der Geld eine Rolle spielte, und man es nach außen hin auch zeigte. An meiner Gegend fuhr man nur mit dem Cabrio vorbei ohne sie zu beachten.
„Ich treffe ein paar Freunde zum …“, wollte ich mich schon auf die Flucht machen. Aber der seltsame Kerl ließ nicht locker. Seine forsche Art und die leuchtend grünen Augen seiner Freundin überrumpelten mich. Am Ende hatte ich keine Wahl und mußte zustimmen am Wochenende das schlimmste zu unternehmen was ich mir vorstellen konnte: In die Disco gehen.
Seit dieser Begegnung im Schulflur erlebten wir ein ganzes, sehr bewegtes Leben. Die Freundinnen kamen und gingen, die Tage rasten vorbei in Saus und Braus, Drogen, Alkohol, Abenteuer, oder auch abgebrannt ohne Zuhause und ständig auf der Flucht. Das Leben im Rausch eben. Es kamen auch Krebs, Klappse, Wiederaufbau und Familie. Heute sind wir schon am Ergrauen. Bei mir ist es der Bart, bei ihm sind es die Haare, die von einem bewegten Leben sprechen.
Seit dieser ersten Begegnung im Schulflur sind 34 Jahre vergangen.

„Naja, sagen wir es mal so; ich dachte schon es würde irgendwann mal kommen – aber jetzt ist es schon spukig, wenn es plötzlich so echt wird.“

Als Jugendlicher, bis in meine frühen Zwanziger, hatte ich oft Träume von zerfallenen, postapokalyptischen Städten, durch die ich, auf der Suche nach Überlebenden, geklettert bin. Die Träume kamen so oft, daß ich mir den Beinamen „der Apokalyptiker“ gab. Ich interpretierte diese Träume zuerst als prophetische Visionen, die bevorstehende Ereignisse vorwegnahmen. Später verstand ich jedoch, daß sie während dieser Phase der Selbstfindung und Einsamkeit nur meine Seelenlandschaft widerspiegelten. Ob ich diese Deutung heute noch so stehen lassen möchte wird sich zeigen.

„ … und, schon irgendwelche Vorkehrungen getroffen?“
„Nicht so große. Kann mir grad` auch nicht soviel leisten.“
„Und wohin wanderst du aus?“
„Nirgendwo hin. Ich hab’ dafür keine Kohle, und ich glaub’ wenn’s los geht, dann brennt’s überall.“

Früher reisten wir in andere Länder um Abenteuer zu erleben, dem Alltag zu entfliehen, oder das gelobte Land zu finden. Heute überlegen wir in welchem Land wir am ehesten überleben könnten. Fühlt sich komisch an. Wir ahnen alle, daß, egal wo wir hinfliegen, das Chaos seinen Weg hinfinden wird. Auch wenn wir den Bomben entfliehen – der Hunger kennt keine Grenzen. Und wir haben auch das Bauchgefühl, das unsere Heimat hier, in Deutschland, ist. Hier sind wir aufgewachsen, hier sind unsere Familien, hier kennen wir uns aus.
Die Ungewissheit krallt sich fest wie der eigene Schatten. Da flieht der Geist öfter in die Vergangenheit. In die guten, alten Zeiten. Und tatsächlich; mir sind all die Prüfungen, leidvollen Erfahrungen, Hindernisse der Vergangenheit lieber, als das, was uns bevorsteht. Denn man hatte gelernt, daß nach dem Abend der Tag kommt. Und es gab, wenn auch in undeutlichen Umrissen, immer ein Ziel vor Augen, welches wir anstreben konnten. Ob es der Gesang odysseischer Sirenen, oder das ferne leuchten des neuen Jerusalem war; es gab immer einen Tag danach, dem wir zustreben konnten. Jetzt schwebt das Damoklesschwert über unser aller Köpfe, und es fühlt sich nicht mehr als gegeben an, daß wir ein Morgen wirklich haben werden.

„Glaubst du das ist das Ende?“
„Nein. Ich glaube es wird katastrophal, und zwar so, wie es die Menschheit noch nie erlebt hat. Aber ich bin auch überzeugt, daß es danach weitergeht. Und ich kann nur hoffen, daß die Menschheit diesmal etwas daraus lernt!“

Vor meinen Augen zaubern sich Bilder vergangener Tage. Die scheußlichen Frisuren, das Verlaufen in Barcelona, als uns niemand verstand, und wir schon befürchteten das Hotel nie mehr zu finden, aber stattdessen ein Straßenfest entdeckten, wo ich die schönste Frau gesehen hatte: Sie stand auf der anderen Straßenseite in ihrem wunderschönen roten Kleid, mit glänzenden schwarzen Haaren, die ihr bis unter die Hüfte reichten. Oder als ich ihn ihm Krankenhaus nach der Krebs-OP besuchte, und wir auf der Terrasse eine rauchten. Die Abenteuer in Marokko, oder wie wir im tiefsten Winter in einen fremden Schrebergarten kletterten um Bier zu trinken, da wir lieber froren, als zurück nach Hause zu gehen: Er in das verlassene, dunkle Haus, nachdem seine alkoholkranke Mutter gestorben war – ich in den kaltfeuchten, schmutzigen Proberaumkeller, in dem ich lebte, nachdem ich von zuhause rausgeschmissen wurde. All diese unzähligen Episoden unseres Lebens sind mir kostbar. Sie haben heute mehr Wert als jemals zuvor. Sie erzählen unser Leben. Sie lassen uns wissen, daß wir existierten. Und sie fingen an damals, im Schulflur, als mich ein seltsamer Kerl überrumpelte, der eine so hübsche Freundin mit funkelnden grünen Augen hatte, daß mir nichts übrig blieb, als mitzugehen.
Bei all den fantastischen Geschichten und auch dunklen Zeiten denke ich mir; wir sind so weit gekommen, und es ist noch nicht vorbei. Wir haben so viele brenzlige Situationen überstanden; so schnell geben wir nicht auf. Noch haben wir unsere letzte Geschichte nicht geschrieben.

Ich fragte ihn: „Was machst du am Wochenende?“
„Noch nichts.“
„Gut, dann komm’ vorbei. Ich ruf' die Jungs an, und wir feiern! Wir stoßen an auf das Ende der Welt.“

Sort:  

Ziemlich dystopisch anmutender Post dessen Ende man auch anders formulieren kann.

Ich kenne diese Alpträume vom Weltuntergang aus dem kalten Krieg, welcher durch die Medien entfacht wird und die Psyche manipuliert.

Mit jedem Krieg geht die Welt unter, weil die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt - es ist dabei vollkommen sekundär ob dies regional oder weltweit passiert.

Das Leben hat eine Bestimmung - und die liegt abseits politischer Demagogen im hier und jetzt - in der Verbindung der Menschlichkeit zu Frieden, Freiheit und Wahrhaftigkeit.

Ich stimme aber vollkommen dem Satz am Ende zu:

Noch haben wir unsere letzte Geschichte nicht geschrieben.

Die Menschheitsfamilie sollte die Politik zum Teufel jagen - denn sie ist verantwortlich für Kriege und Massenmord und das unendliche Elend auf Erden. Nachdem sie die Kaste der Politiker beseitigt hat liegt es an ihr sich auf das Miteinander und das gemeinsame Wirtschaften über alle Grenzen hinaus zu besinnen.

Menschen die miteinander Handel treiben sind am gegenseitigen Wohlergehen, des jeweils anderen interessiert. Politikern gefällt das naturgemäß nicht, weshalb sie regelmäßig Zwietracht säen und Kriege entfachen.

Die Lösung all unserer Probleme ist daher recht einfach - Politik abschaffen, in dem wir das staatliche Geld nicht mehr für den Handel verwenden und als Volk unser eigenes freies Geldsystem erschaffen.

Dann sind auch die Kriege ganz schnell vorbei und Geschichte.

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Ich stimme dir vollumfänglich zu!

Ich habe diesen Blog beim Sinnieren geschrieben, verdutzt über die Surrealität des Lebens. Vermutlich wurde der Text dystopischer als geplant :)

Tatsächlich fokussiere ich mit Gleichgesinnten positive Lösungen, und eine eigene Währung, sowie eigene Strukturen, die eben auf dem Gedanken der individuellen Freiheitlichkeit beruhen. Heute Abend fahre ich mit dem Zug zu unserem Treffen, wo wir weiter an Lösungen schrauben. Es gestaltet sich natürlich schwer, aber das ist ja nicht ungewöhnlich angesichts der Tatsache, das jeder einzelne Lebensbereich von zerstörerischen Kräften okkupiert wurde.

Letztendlich bleibe ich der festen Überzeugung, daß es danach weitergeht, und wir - hoffentlich - aus den Ereignissen lernen werden als Menschheitsfamilie zusammenzukommen. Ich vermute nämlich, daß, entgegen dem, was der Alltag uns täglich vorführt, letztendlich Menschen gemeinsam eine bessere Lebensweise ersinnen können, wenn sie ihre Verantwortungen nicht an Dritte, also an "Führer", abgeben.

Ich wollte schon lange über diese Lösungsstrategien schreiben, halte mich aber noch zurück, bis etwas Konkretes sich formiert. Es ist schon eine Herkulesaufgabe!

Danke für den ausführlichen Kommentar und den Reblog! :)

Kann man nicht ändern, unsere "Kultur" befindet sich in der letzten Phase, im Selbstzerstörungmodus.

Leid tut es mir für die Jungen, die in einer perversen Umgebung aufgewachsen sind und keinen Kompass haben.

Ansonsten: Jeden Tag Vollgas geben im Rahmen dessen, was die alten Knochen noch gut hergeben, scheint mir ein guter Plan zu sein. Jedenfalls verfolge ich ihn auch.

Yepp. So halte ich es auch.

Tatsächlich bin ich der Überzeugung, das es eine notwendige Katharsis ist, und der Menschheit - da sie sich de facto einfach nicht belehren lassen will - es auferlegt wird den "Mensch des Chaos", dem "Geist des Untergangs" von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen, damit sie sieht, was sie anrichtet. Dazu gehört auch die eigene Verantwortung an Dritte abzugeben, damit man selbst in der "Gemütlichkeit" verharren kann.

Glücklicherweise sehe ich ringsumher aber auch viele Menschen, die diese Zeit nutzen um sich neu auszurichten, und Wege zu ersinnen, die den Wiederaufbau ermöglichen. Das wird wohl noch Zeit in Anspruch nehmen. Der Gang durch's Nadelöhr der Zerstörung wird aber wohl niemandem erspart bleiben.

Bei mir mußte ich zähneknirschend feststellen, daß ich genügend oberflächlich durch's Leben gewandert bin, und viel zu viel als gegeben hingenommen hatte. Der selbstverständliche Wohlstand, sozusagen. Es ist also auch gut die Wertschätzung und Dankbarkeit neu zu erleben. Und es ist auch faszinierend über Begriffe wie Gesellschaft, Kultur, Ethik, etc. nachzudenken, und sie in der Tiefe zu erforschen, als sie nur als schicke, undurchdachte Begriffe in ein Gespräch zu werfen, um möglichst "im Bilde" zu klingen.

Wie man aber die junge Generation vom Baal, vom goldenen Kalb wieder weglockt … Puh, das ist schon ein Rätsel. Die werden sich schon anpassen wenn nichts mehr da ist. Aber die Prägung bleibt doch bestehen …

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Für mich ist, worüber du schreibst, ganz normales Altwerden. Wenn du jung bist, beeindruckt dich zwar sehr, was du an Einflüssen erlebst (Filme, Nachrichten, was die Leute reden), aber du hältst dich nicht sehr lang damit auf, weil Jungsein bedeutet, auszugehen, auch in die Disco, Drogen, Reisen, arbeiten (auch viel arbeiten) usw., was du eben auch erzählt hast.

Mit der Zeit, wenn man so und so viele Weltuntergänge vorhergesagt bekommen hat und man ja nicht jünger wird, beginnt die Sache an einem zu nagen und weil der frische Elan der Jugend und ihr natürliches "Scheißegal" einem nicht mehr so natürlich anhaftet, ist man vielleicht wie der Stein, der vom steten Tropfen dann doch gehöhlt wurde. Als älterer Mensch fallen einem Abschiede nicht mehr so leicht, Umziehen nicht mehr so leicht, neue Arbeit nicht mehr so leicht. Geht mir jedenfalls so. Was aber nicht bedeutet, dass man sich nicht wieder an etwas anderes gewöhnen kann. Nur der Schritt dahin, etwas anderes oder neues zu tun, hat mehr gedankliche Barrieren im Vergleich.

Ich bin gerade nach vierzehn Jahren umgezogen. Ich bin überrascht, dass ich in der neuen Umgebung sehr viel schneller angekommen bin, als ich es mir ausgemalt hatte. Auch der Abschied von der alten Wohnung und der direkten Umgebung war leichter, als angenommen. Aber vielleicht auch nur, weil ich von einer kleinen in eine größere Wohnung gezogen bin und nun nicht mehr allein mit meinem Sohn lebe. Mental hat es also besser geklappt, entgegen der Vermutung. Körperlich ist es aber der Horror. LOL

Als Jugendlicher, bis in meine frühen Zwanziger, hatte ich oft Träume von zerfallenen, postapokalyptischen Städten, durch die ich, auf der Suche nach Überlebenden, geklettert bin.

Übrigens denke ich, dass die Fernsehbilder von Atombomben maßgeblich Träume beeinflussen können und so du die Angst der Vor-Generation übernommen hast, die ja sehr intensiv die Atomkrieg-Angst miterlebt haben (Übungen in Schulen und anderen Einrichtungen, wie unter den Tisch klettern usw.) in den 50er Jahren. Ist natürlich keine Traumdeutung, kann aber ein Aspekt sein, der zu deinem Seelenleben passen könnte, das du zu der Zeit hattest.
Erich Fromm und einige andere seiner Zeitgenossen haben viel über diese Thematik der atomaren Bedrohung gesprochen.

Mittlerweile gibe es sogar Aussagen dazu, dass die Atombedrohung auch nur inszeniert war. Finde ich immer interessant, solche gedanklichen Spiele einmal zu durchlaufen.