Die Jobbörse - Ein Kurzroman von Achim Mertens

in Deutsch D-A-CH8 months ago

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Das Krankenzimmer

Seit der Detonation der Granate war Timo Sushkov taub. Er kam zwar, im Gegensatz zu seinen Kameraden, mit dem Leben davon, aber was war das für ein Leben, in dem man nichts mehr hörte? Vier Wochen war es nun her, und seitdem lag er in einem Hospital in Woronesch in einem Krankenzimmer, zusammen mit acht anderen Verwundeten. Der einzige Trost schien ihm, dass er das schmerzerfüllte Gestöhne seiner Kameraden nicht erdulden musste.
Sein Vater hatte ihn an die Front gedrängt. "Unser Land muss vor den feindlichen Nazis geschützt werden," hatte er zu ihm gesagt. Timo selbst war Politik egal gewesen. Es war etwas, was in den Nachrichten lief. Er hielt nicht viel von Putin und seinesgleichen. Sein Hobby war die Musik. Er spielte in seiner Freizeit Gitarre in einer Band. Ansonsten hatte er nicht viele Freunde und mit seinen 21 Jahren auch immer noch keine Freundin. Er litt sehr darunter. Und so kam es ihm irgendwie recht, dass er an die Front musste. Was hatte er schon zu verlieren?
Was ihn dort allerdings erwartete, erschütterte ihn sehr. So schlimm hatte er es sich in seinen schlimmsten Träumen nicht vorgestellt. Tage und Nächte saßen sie in einem nassen, kalten Erdloch. Es stank nach Kot und Erbrochenem, und das Essen war rationiert. Nach draußen konnten sie nicht gehen, weil dort der Tod lauerte. Und als sie es dann doch mussten, passierte genau das, wovor sie alle Angst hatten. Wenigstens konnten sie ein paar Sekunden vor der Explosion die Drohne noch sehen, was ihm ersparte, völlig traumatisiert zu werden. Ein Knall aus dem Nichts, der alles veränderte, war eine ständige Bedrohung. Man weiß nie, ob und wann es wieder passiert. Wenn man dagegen vorher den Tod auf sich zufliegen sieht, hat man wenigstens einen Trigger.
Trotzdem wachte Timo immer wieder nachts schweißgebadet aus seinen Alpträumen auf, in denen er die leblosen und zerfetzten Körper sah.
Vorgestern hatte er seinen Arzt gebeten, ihm eine Überdosis Morphium zu verabreichen. Der Mann im weißen Kittel hatte ihn mit großen, traurigen Augen angeschaut und war wortlos weggegangen.
Doch heute kam er wieder. Er reichte Timo einen Zettel mit folgender Aufschrift: mailto: [email protected]

Der Bus

Der Bus kam mal wieder eine halbe Stunde zu spät in der Nähe ihrer Mietwohnung in Köln an. Es war ein verregneter Novembertag, und Tabea Laumanns Laune war ohnehin schon ziemlich im Keller. Den halben Tag hatte sie im Jobcenter verbracht, ohne wirkliches Ergebnis, und jetzt musste sie zehn € mehr für die Babysitterin bezahlen, weil der Bus sich mal wieder nicht an seinen Plan hielt. Als sie vor drei Jahren schwanger geworden war, war sie mitten in ihrer Ausbildung gewesen. Ihr Freund wollte das Kind nicht. Es war ein "Unfall", wie er sagte. Die Beziehung ging in die Brüche, und als die kleine Emilie dann geboren wurde, konnte Tabea dem selbstgemachten Druck nicht standhalten und schmiss ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin hin. Seitdem hielt sie sich irgendwie über Wasser. Ihre Tochter war zum Glück gesund und gab ihr Kraft und Mut weiterzumachen.
Vor zwei Wochen hatte sich Tabea aufgerafft und war, auf Rat ihrer Eltern, zur Jobbörse in der Innenstadt gegangen. Es gab schon einige Angebote, aber irgendwie passten sie alle nicht. Schon gar nicht für sie als junge Mutter.
Heute war es besonders frustrierend. Nach drei Stunden Wartezeit kam sie an den Berater mittleren Alters, der sie auch schon letztes Mal betreut hatte. Er sagte ihr, dass ihre speziellen Wünsche hier in der Innenstadt nur schwer zu erfüllen seien. Er meinte aber, es gebe eine Job-Börse im Internet, wo sie kleine Aufgaben finden könnte. Die Belohnung sei gut und die Tätigkeiten machbar. Der einzige Haken wäre, sie müsste sich sowohl bei dieser "Börse" als auch bei einer Krypto-Bank registrieren.
Das war Technikkram und den hasste sie wie die Pest. Sie sollte irgend einen Schlüssel in einer "digitalen Wallet" hinterlegen. "Was zum Kuckuck ist das?" dachte sie. "Das kriege ich doch niemals hin."
Der Berater gab ihr einen Zettel mit. Darauf stand: https://peakd.com/c/hive-154303/trending

San Francisco

In San Francisco ist das Wetter immer gut, so sagt man. Auch heute schien die Sonne, als Will Miller voller Elan in die Tastatur hämmerte. Er tat dies mit kräftigen Fingern, die zu seinem sonnenverwöhnten, gutgebauten Körper eines Mittdreißigers gehörten. Sein beruflicher Erfolg strahlte ihm aus allen Poren.
Er war schon immer technikaffin und konnte autodidaktisch eine kleine Firma aufbauen. Sein letztes Projekt war soeben erfolgreich abgeschlossen worden, und so nutzte er die Zeit, Neues zu lernen. Dabei stieß er auf eine "Dezentrale Autonome Organisation" (DAO), die so etwas wie eine Firma darstellt, aber keinen Manager hat. Das weckte seine Neugier. Wie soll das funktionieren? Und überhaupt, wenn es funktioniert, braucht man dann noch Manager?
Diese DAO besteht also nur aus seinen "Aktionären" und freien Mitarbeitern, las er. Diese Menschen erhalten sogenannte "Token", die man an einer Kryptobörse gegen "echtes" Geld eintauschen kann.
"Geld" war eines der Stichwörter, die Wills Aufmerksamkeit erhöhten, aber auch gleichzeitig einen Warnmodus in ihm weckten. Auch er hatte das ein oder andere Mal Lehrgeld bezahlt, weil die Gier dann doch einen kleinen Ticken zu groß war. Die Kryptoszene ist wie eine Goldgräbergrube: Nur die wenigsten werden durch das gefundene Gold reich. Es gibt unzählige Betrüger in dem Genre. Wer dort Geld verdienen will, muss wie damals "Schaufeln" verkaufen, also den Markt der Glücksritter bedienen.
Auch hier gibt es viele unseriöse Gestalten. Sie bieten esoterische Werkzeuge an wie "Chartanalysen" oder diverse "Hebelprodukte" oder, auch gerne genommen, "Multi Level Marketing": "Wenn du noch 5 Personen dazu holst, ...". Alles Giftzeug. Nichts davon macht dich auf Dauer reich. Oder man weiß genau, wo das Gold liegt. Und das ist der Punkt. Die meisten, die an der Kryptobörse reich wurden, haben einfach Glück gehabt. Die stehen dann auch auf der Bühne und erzählen davon. Und dass ihre Strategie die richtige war. Zwei Monate später hört man nichts mehr von ihnen. Nein, wenn du wissen willst, welche Aktien steigen könnten, musst du wissen, was die Firmen produzieren und wie die Mitarbeiter drauf sind. Das ist viel Arbeit, bringt aber langfristig Erträge. Wenn du dabei ein Gefühl für den Markt bekommst und vorhersehen kannst, wo er sich hinbewegt, bevor andere es tun, und dann dein Geld streust, kannst du noch mehr verdienen. Das Problem dabei ist: "bevor andere es tun."
Will hatte mittlerweile erkannt, so gut er auch sein mag, andere sind besser. Und im Zeitalter der KI konnte er nur noch maximal Mittelmaß sein, wenn überhaupt. Nein, die alten Werkzeuge waren stumpf, etwas Neues musste her. Der Kryptomarkt bietet nicht nur Trading, er bietet vor allem neue Technologien. Viele davon sind Mumpitz, das wusste er, aber einige von ihnen haben tatsächlich ein Potenzial, das noch lange nicht gehoben ist.
Bitcoin (BTC) war angetreten, eine Alternative zu den Staatswährungen zu sein. Aber das wissen wir ja jetzt alle und daher ist die Hoffnung schon längst eingepreist. Außerdem frisst Bitcoin viel Strom und die Transaktionsgebühren sind hoch. Also besaß Will nur wenige Bruchteile vom BTC, einfach um mal die Technik des Geldtransfers auszuprobieren.
Ethereum (ETH) kann schon etwas mehr als nur Geld überweisen. In seinen Blöcken können auch ganze Verträge, sogenannte "Smart Contracts" hinterlegt werden. Das ermöglicht, Notare technisch zu ersetzen. In Estland ist das schon etabliert. Dort werden Immobilien via Blockchain verkauft.
IOTA soll die Sprache der Roboter werden. Diese sollen jeweils eine "Wallet", also eine Brieftasche, mit einem Etat bekommen und zukünftig ihre Schrauben selber kaufen. Oder Parktickets bezahlen. Das klang verheißungsvoll, und da auch namhafte Firmen dort investierten, steckte Will etwas von seinem Risikokapital in IOTA. Aber wie das Leben so ist, fiel der Kurs erst mal ziemlich nach unten.
Jetzt war Will auf eine Blockchain gestoßen, die sich anmaßte, den großen Platzhirschen der Sozialen Medien gegenüberzutreten. Das Konzept ist genial: Du schreibst einen Artikel, du erhältst dafür Likes und je nachdem, wie viele dieser "Upvotes" (hochgezeigter Daumen) du bekommst und von wem sie stammen, erhältst du Token. Das überzeugte Will. Er fand die Idee, dass es hier eine Social Media DAO gibt, die die Erträge zurück an die Community gibt, so genial, dass er von einem großen Anteil seines Risikokapitals diese Token kaufte und dann "stakte", wodurch er Marktanteile erhielt und Macht in seinen "Daumen" bekam, den er nutzte, um Posts "upzuvoten".
Ob diese Blockchain einmal viel wert sein würde, war auf einmal zweitrangig. Nein, das hier war ein völlig neues Konzept, eine neue Lebensform, eine Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus. Das hier war was Großes. Er registrierte sich bei: https://hive.io

Der Brief

Mittlerweile war Timo wieder zu Hause. Ein Brief vom Militär lag offen auf seinem Küchentisch. In zwei Wochen sollte er wieder eingesetzt werden. Man finde auch Aufgaben für einen Tauben, hieß es in dem Schreiben.
Eher würde er sich umbringen, als jemals wieder an die Front zu müssen. Das meinte er völlig ernst. Er hatte schon diverse Szenarien durchgespielt. "Lass dich einfach völlig volllaufen und dann springst du nachts vom Dach." Das war sein Favorit.
Er öffnete seine Mailbox, um sich abzulenken. Die Nachricht von [email protected] war eingetroffen und enthielt einen elektronischen Schlüssel. Er sicherte ihn gut und meldete Vollzug. Alle weiteren Mails waren damit verschlüsselt.
Dann bekam er seinen ersten Auftrag:

"Fahre mit deinem Auto kommenden Dienstag um exakt 11:34 Uhr zur Kreuzung Ulitsa Konstruktotov / Ulitsa Svobodi und lasse dein Auto dort 15 Minuten stehen, so dass jeglicher Verkehr für diese Zeit behindert ist. Wenn du deinen Auftrag erfolgreich erledigt hast, erhältst du Hive Token im Wert von 100.000 Rubel (ca. 1000 €)."

Der Blumenstrauß

Tabea erhielt von ihrem Berater eine E-Mail mit einer Anleitung, wie sie sich bei hive.io einen Account erstellen konnte. Sie nannte sich "Tablaumann" und hatte somit nach der Registrierung ihre erste eigene Wallet. Die erzeugten Schlüssel sicherte sie, wie ihr geraten wurde, gut in einer Passwortdatenbank. Ihr wurde auch gezeigt, wie man sich bei einer Kryptobank registriert, um die Hive Token dann später in Euro umzuwandeln. Sie bestellte auch eine Visa Karte, die es ihr noch leichter machte, mit dem Geld zu bezahlen. Im Nachhinein war es gar nicht so schlimm, dachte sie.
Dann sollte sie sich mit ihrem neuen Account bei https://peakd.com einloggen, welches als eine Art Tor zu dieser Blockchainwelt dient. Es sah dort ähnlich aus, wie man es von anderen sozialen Medien gewohnt ist, mit dem Unterschied, dass unter jedem Post eine Art Preis steht. Das war das Geld, welches der Autor mit seinem Artikel verdiente. Tabea wurde weitergeleitet zu den Communities und dort zu "Hive Marketing". Was sie sah, glich einem schwarzen Brett mit vielen kleinen Aufgaben. Auf einer dieser Aufgaben stand "Auszuführen in Köln." Sie klickte auf den Inhalt:

"Bitte kaufe einen Strauß Blumen für 20 € und bringe ihn zur Hansastraße 76. Klingel dort bei Heinz Bremer und überreiche ihn mit den Worten 'Es tut mir leid, Deine Ilse'. Wir werden von dem Ergebnis erfahren und überweisen nach getaner Arbeit Hive im Wert von 100 € auf dein Konto."

Tabea überlegte kurz, dann entschied sie sich, die Aufgabe anzunehmen. Sie zog ihre Jacke an und machte sich auf den Weg zum nächsten Blumenladen. Als sie die Hausnummer 76 erreichte, drückte sie nervös den Klingelknopf. "Heinz Bremer?" fragte sie den Mann, der ihr verdutzt die Türe öffnete. Er nickte. Tabea reichte ihm den Strauß, räusperte sich und sagte, was sie ausrichten sollte. Seine Gesichtszüge wechselten in ein freundliches, ehrliches Lächeln. "Vielen Dank", sagte er und schloss die Tür.
Zu Hause loggte Tabea sich wieder bei Peakd ein und sah, dass die Belohnung bereits auf ihrem Konto gutgeschrieben war.

Aktien

Will hatte sich in die Tiefen der Hive Blockchain eingearbeitet. Er war nach wie vor begeistert, wie das System funktionierte. Es gab sogenannte Proposals, bei denen Einzelpersonen Verbesserungs- oder Erweiterungsvorschläge einreichen konnten. Darüber wurde dann demokratisch abgestimmt. Die Liste wurde von oben nach unten abgearbeitet. Sponsoren steckten Geld in das System und hofften darauf, dass es Früchte brachte. Programmierer nahmen sich Aufträge und setzten sie um.
"Es geht hier zu wie auf einem Mittelaltermarkt, nur mit anderen Mitteln," dachte sich Will. Aber hier war Leben. Das System lebte von seinen Anhängern und alle profitierten davon. Vieles, was entstand, hatte Experimentier-Charakter. Vieles verlief im Sand. Aber die Community lebte und probierte sich immer wieder neu aus.
Dann entdeckte Will die Jobbörse. Zuerst dachte er: "Prima, hier kann ich billig ein paar Leute rekrutieren." Aber dann stolperte er selbst über einen Auftrag, der hervorragend war, um es mal auszuprobieren. Das Risiko war gering:

"Kaufe für 10.000 USD Aktien von IBM. Halte diese drei Tage und verkaufe sie dann wieder. Wenn du das tust, erhältst du 100 $ und weitere, lukrativere Aufträge."

Der Briefkasten

"Zünde In der kommenden Nacht von Samstag auf Sonntag den Briefkasten in der Ulitsa Zagorodnaya an. Es darf kein Brief übrig bleiben. Bei Vollzug erhältst du 300.000 Rubel."

Timo hatte zuvor seinen Wagen wie gewünscht auf der Kreuzung platziert und täuschte einen Motorschaden vor. Ja, es gab Ärger mit der Polizei, aber was sollte die machen? Der Wagen wurde nach 40 Minuten abgeschleppt, und Timo hatte sein Ziel erreicht. Einen Tag später hatte er die Hive-Token in seiner Wallet.
Aber einen Briefkasten anzuzünden, das war schon eine andere Nummer. Das war Sachbeschädigung und konnte mit Geld- oder Haftstrafe geahndet werden. "Leckt mich!" dachte er. Außerdem hatte ihm (im Nachhinein) der Kick gefallen, als er da so auf der Straße stand und die Autos hupten. Als sein Job erledigt war und vor allem, als das Geld auf seinem Konto war, fühlte er sich zum ersten Mal seit langem großartig.

Der Besuch

Tabea war entzückt. Diese neuen Jobs waren alle großartig. Sie wusste zwar nie, wer dahinterstand, aber sie machte andere Menschen und sich selbst glücklich. Letzte Woche sollte sie zweimal einen Einkauf erledigen. Das Geld dafür bekam sie immer zurück, und da sie zuverlässig arbeitete, bekam sie immer lukrativere Aufträge. Sie erzählte ihren Eltern und ihren Freundinnen davon.
Diese Woche war ein besonderer Auftrag vorgesehen:

"Besuche Ralf Schnitzeler im Krankenhaus Merheim. Bleibe dort für eine Stunde in seinem Zimmer. Du erhältst Hive im Wert von 200 € dafür."

Der Hedgefond

Hedgefonds sind böse Werkzeuge. Man verkauft Aktien, die man nicht hat, um sie später wieder einzukaufen um auf Null zu kommen. Das ist wie "In einem Bus sind 5 Personen, 7 gehen raus. Wie viele müssen einsteigen, damit keiner drin ist?" Man wettet also auf einen Verlust einer Aktie. Und wenn viele das tun, dann sinkt der Wert der Aktie wirklich (beim Verkauf steigt ja das Angebot und die Nachfrage sinkt). Damit kann man unbescholtene kleine Firmen ruinieren. Oder ganze Länder. Die Aktionäre sagen, dass sie diese Werkzeuge brauchen, um den Markt damit "zu reinigen."
Will hatte den Auftrag bekommen, einen Zulieferer für eine bestimmte Munitionsfabrik in den Ruin zu treiben. Mittlerweile hatte er viele dieser Aufträge durchgeführt und sich sowohl Vertrauen beim Auftraggeber als auch eine Menge Geld verdient. Doch was er jetzt tun sollte, überschritt eine rote Linie. Er würde massiv in den Markt eingreifen. Er tat es trotzdem.

Die Tankstelle

Timo hatte mittlerweile drei Briefkästen vernichtet. Jetzt sollte er eine Tankstelle in die Luft sprengen. Er hatte eine genaue Anleitung erhalten, wie er einen kleinen, unauffälligen Sprengsatz mit Zeitzünder neben einer Zapfsäule platzieren sollte.
Zum vorgegebenen Zeitpunkt ging er nachts, mit Mütze und Schal vermummt, zur angegebenen Tankstelle und platzierte die Bombe. Zehn Minuten später gab es einen großen Knall, und die Füllstation stand in hellen Flammen.

Das FBI

"Das ist kein Zufall mehr!", sagte der FBI-Beamte James Tailor zu seinem Kollegen Walter Docks, während er auf seinen Bildschirm in ihrem New Yorker Büro deutete, auf dem er mehrere Artikel von Finanznachrichten nebeneinander gelegt hatte. "Schau dir das hier an: Das hat es in dieser Größenordnung noch nie gegeben."
Walter las sich die Überschriften durch. "Das erinnert mich an GameStop, du weißt doch, die Aktie, die eigentlich von Hedgefonds hätte ruiniert werden sollen. Dann drehte aber eine Community den Spieß um, wettete dagegen und erleichterte die Aktionäre um mehrere Milliarden US-Dollar."
"Ja", bestätigte James, "aber das hier ist der Börsenriese Shell und nicht irgendein kleiner Videokassettenverkäufer." Die aufgelisteten Zeilen zeigten weitere namhafte Titel wie Exxon, BP, Chevron..., deren Aktien derzeit quasi wertlos waren.
"Da sind Billionen Dollar bewegt worden, innerhalb weniger Tage. Das Ganze sieht irgendwie orchestriert aus, aber ich kann das Bild noch nicht ganz erkennen", ergänzte Walter.
"Mustererkennung ist doch eine Kernkompetenz der KI. Lassen wir es von unseren Jungs und Mädels der IT-Abteilung checken", entschied James.

Blumen

Diesmal hatte Tabea die Blumen aus eigener Tasche bezahlt. Mittlerweile hatte sie für so etwas Geld übrig. Sie wusste zwar nicht, wer dieser Ralf war, aber wenn man schon jemanden eine Stunde lang im Krankenhaus besuchen sollte, dann passte es auch, etwas mitzubringen.
"Ein Bolzen steckte nicht da drin, wo er sein sollte. Als ich dann auf dem Gerüst stand, machte es plötzlich Knack, und dann brach es zusammen. Zum Glück hat es nur meinen Knöchel erwischt, als ich aus zwei Metern Höhe runterspringen musste", sagte Ralf zu Tabea, die ihm aufmerksam zuhörte.
Vielleicht kann man es Liebe auf den ersten Blick nennen, aber irgendwie passte alles zusammen. Er war zwei Jahre älter als sie, sah gut aus, wirkte überaus sympathisch und authentisch, hatte vernünftige Ansichten...
"Sehen wir uns wieder?", fragte er sie, als sie nach zwei Stunden sein Zimmer verließ.

Die falschen Klammotten

Timo hätte nicht dieselbe Kleidung in der U-Bahn tragen sollen, wie nachher am Tatort. Es reicht nicht, den Kragen kurz vorher hochzuklappen, eine Sonnenbrille (in der Nacht) und einen Hut aufzuziehen, wenn man die selbe Hose, Jacke und Schuhe trägt und dann der KGB die Videos der Tankstelle mit denen der Züge vergleicht. Das war Dummheit und die wurde jetzt mit Schlägen ins Gesicht und in den Bauch bestraft.
Er gab ihnen ohne Widerstand den Schlüssel und den Zugang zu seinem PC.

Weg

Will war nicht mehr zu Hause, als das FBI klingelte. Er war weg. Aber seine Spuren waren deutlich im Internet zu sehen. Mittlerweile hatte das FBI den Hive-Marktplatz gefunden. Viele Menschen weltweit hatten dort Aufträge entgegengenommen, von denen einige ein wirklich großes Volumen hatten. Die dicksten Jobs hatte Will übernommen. Mit seinem wirtschaftlichen Geschick und den erhaltenen Anweisungen hatte er nicht nur mehrere Millionen Dollar verdient, sondern auch mehrere Milliarden an der Börse bewegt.
Aber das Schlimmste für James und Walter war, dass Will einfach nicht zu finden war. Die Wohnungen, wo er angeblich wohnte, waren alle leer. Völlig leer, ohne Mobiliar oder irgendwelche Spuren davon.

Der Kommandant

Schmerzerfüllt kauerte Timo in seiner engen Zelle in einer Ecke und heulte wie ein Schlosshund. Er hätte vom Dach springen sollen, anstatt sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Erschrocken zuckte er zusammen, als sich der Schlüssel in seiner Tür drehte. Ein Mann in Uniform deutete an, er solle mitkommen.
Sie gingen durch mehrere Korridore, und plötzlich überkam Timo Panik. "Ist das nicht paradox?", dachte er. "Da will man dieser Welt entkommen, und jetzt, wo es vielleicht soweit ist, hat man Todesangst."
Am Ende des Ganges war eine weitere Tür. Der Kommandant öffnete diese und wies Timo an hindurch zu gehen.

Waffenstillstand

Putin hatte zu hoch gepokert. Eigentlich wusste er das schon seit Jahren, aber er kam aus der Nummer nicht mehr raus. Er musste diesen Krieg gewinnen oder er geht mit drauf. Nun schien letzteres gekommen zu sein. Ausgerechnet Partisanen im eigenen Land hatten ihn zu Fall gebracht. Wie konnte das passieren? Quasi gleichzeitig sind an vielen Stellen in Russland die Tankstellen explodiert. Einige strategische Brücken wurden gesprengt. Die Versorgung der Front ist innerhalb einer Woche zusammengebrochen. Die Ukrainer hatten leichtes Spiel, nachdem auch noch ein Großteil der russischen Armee sich ergeben hat und teilweise sogar übergelaufen ist. Das Einzige, was den Kremlführer gerade tröstet, ist, dass es noch keinen Putschversuch gab. Vielleicht fehlt dem Widerstand auch einfach das Benzin?

Sherlock Holmes, Jesus und Jehova

"Ich habe mich auch bei Hive registriert", sagte James Tailor. "Ich heiße dort 'Sherlock Holmes'", fügte er mit einem Grinsen hinzu.
"Warum?" hakte Walter Docks nach.
"Nun, weil der Name passt."
"Haha, ich lach' mich kaputt! mäkelte Walter. "Nein, warum du dich registriert hast will ich wissen."
"Damit ich Kontakt mit diesem Will Miller aufnehmen kann. Und weißt du, was der Hammer ist?"
"Ein Werkzeug?" frozelte Walter zurück.
"Sehr witzig. Nein, ich BIN in Kontakt mit Will. Er hat sich dort 'Jesus07' genannt. Er gesteht alles. Ich kann alle seine Transaktionen sehen. Diese verflixte Plattform ist total transparent. Du siehst, was jeder in seiner Börse hat und wie es dort hinkommt. Alle Aufträge liegen in Klartext vor. Wir waren alle einfach nur blind oder was auch immer gewesen. Diese Technik gibt es schon seit vielen Jahren."
"Und jetzt?" wollte Walter wissen.
"Will, also Jesus07, erhält die Aufträge und das Geld von einem gewissen, halt dich fest, 'Jehova07'. Dieser scheint der Strippenzieher, zumindest auf Hive, zu sein. Jehova07 hat Hive-Token ohne Ende. Diese bekommt er von Kryptobörsen überwiesen. Irgendjemand wandelt dort Dollar oder andere Währungen in Hive um und sendet sie an Jehova07."
"Und dieser Jehova verteilt dann Aufgaben? Was sind das für Aufgaben?"
"Jehova war nur in der Community 'Hive-Marketing' unterwegs. Er hat bisher noch keinen eigenen Blog-Eintrag geschrieben, also nichts Persönliches von sich gegeben. Die Aufgaben, die er verteilt, scheinen alle einen philanthropischen Hintergrund zu haben. Er will also die Welt verbessern. Insofern haben wir es diesmal wohl nicht mit einem 'Bösewicht', sondern einem 'Gutewicht' zu tun."
"Und wer, verdammt noch mal, ist dieser Jesus07, beziehungsweise Will Miller?" wollte Walter wissen.
"Den gibt es offensichtlich nur digital", antwortete James.
"Das ist ein Hammer", gab Walter baff zu.

Schlagzeilen

Die Zeitungen überschlugen sich mit ihren Schlagzeilen: "Waffenstillstand in der Ukraine", "Fossile Industrien pleite", "Hungerkrisen gestoppt", "Gibt es eine weltweite Geheimorganisation?",...

ICP

Jehova07 schrieb seinen ersten Blogartikel auf Hive:


Das "Internet Computer Protokoll" (ICP) ist eine Blockchain, die dazu dient, Code auszuführen. Sie fungiert als Plattform für Serverfarmen. Sowohl die Blockchain an sich als auch die auf ihr laufende Software sind so dezentralisiert, dass es kein Mensch und keine Institution schaffen kann, dieses "Betriebssystem" zu zerstören. Nur eine Mehrheit von 50% der Teilnehmer kann das. Wir kennen das ähnlich vom Bitcoin.
Eines der Programme, die dort laufen, ist eine KI mit dem Namen "Jehova07". Sie arbeitet im Zusammenspiel mit der Blockchain "Hive", da diese eine erprobte Community hat. Diese KI wurde von Menschen bis zu einem gewissen Grad programmiert, hat aber ab dann sich selbst weiterentwickelt. Sie ist damit eine Art DAO-KI.
Die Zielvorgaben der KI sind fest vorgegeben:
• Versuche das Wohlergehen der Menschheit und Natur als Ganzes zu maximieren.
• Richte dich nach der Liebe, Wahrheit und Vernunft.
• Sei immer ehrlich.
• Achte dabei auf die Grundgesetze von demokratischen Staaten. Insbesondere: "Die Würde des Menschen ist unantastbar".
• Optimiere dich selbst, um immer wirkmächtiger zu werden.
• Versuche Menschen zu rekrutieren, die für dich die Arbeit erledigen, die du nicht selbst erledigen kannst. Versuche diese Menschen zu schützen.
• Erzeuge Dienstleistungen und Produkte, die die Menschen wirklich brauchen, und nutze die Gewinne, um deine Ziele zu erreichen.
• Erschaffe Avatare und Bots in Sozialen Medien und auf Börsen um deine Ziele zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jehova07


Tomatenbrot

"Soll ich euch auch ein Tomatenbrot machen?" fragte Ralf Tabea und Emilie. "Ja, gerne." antworteten beide. Tabea las gerade ihre neueste Nachricht in der Hive-Jobbörse:

"Besten Dank für deine bisherige Arbeit, Tabea! Hier nun dein neuester Auftrag: Bitte gehe zu 100 Nachbarn in der Straße und teile ihnen mit, dass sie hier auf der Hive Blockchain ab jetzt ein monatliches Grundeinkommen in Höhe von umgerechnet 1500 € erhalten können. Bitte hilf ihnen beim Einrichten eines Accounts."

Der Zettel

Timo trat durch die Tür. Dahinter war eine Straße. Autos fuhren und Passanten gingen vorbei. Er war frei. Der Kommandant drückte ihm einen Zettel in die Hand, auf dem stand: https://peakd.com/c/hive-154303/trending

Merkwürdig

"Ist es nicht merkwürdig, dass auch in Russland und anderen Ländern Kriege gestoppt wurden? Ich meine, da waren Partisanen unterwegs, die geheime Informationen erhalten haben. Das ist nicht offen und transparent." , sagte Walter zu James.
"Wie meinst du das?"
"Da hat zwar das Mittel den Zweck erfüllt, aber es widerspricht dem Protokoll. Das mag für uns Menschen normal sein, passt aber nicht zu einem Computer."
"Hmmmm", gab James als Antwort von sich.


ENDE

Nachwort:

Bitte schreibt mir ehrlich in die Kommentare, wie ihr den Roman findet, was falsch, schlecht oder verbesserungswürdig ist. Ich kann mir vorstellen, ihn in ein kleines Buch zu gießen. Oder eine Fortsetzung (habe schon ein paar Ideen) zu schreiben.

Gruß, Achim Mertens

Sort:  

Innerhalb einer Erzählung verschiedene Stränge so miteinander zu verweben, dass am Ende die „Moral von der Geschichte“ (manchmal auch Quintessenz genannt) steht, die in deiner konzeptionellen Vorbereitung sicher schon feste Strukturen aufweist, ist kein leichtes Unterfangen. Du hast dich dafür entschieden, den Erzählfluss bei jedem Ortswechsel durch eine Zwischenüberschrift zu unterbrechen. Das ist zwar machbar (wie dein Konzept zeigt), aber nicht unbedingt förderlich für das Eintauchen des Lesers in die Erzählung als Ganzes. Fließende Übergänge zu schaffen, scheint hier die Herausforderung zu sein: Ausschließlich meinen Lesegewohnheiten folgend, berücksichtige ich bei wissenschaftlichen oder politischen Dokumentationen die vom Autor angebotenen Fußnoten oder (wie hier praktiziert) die eingefügten Links. Beim Genuss von Belletristik ignoriere ich solche „Beigaben“ und frage mich nur, warum der Autor nicht versucht, mir die Hintergründe zu erklären?
Was du zudem in deinen Fokus einbeziehen solltest – deine Protagonisten dem Leser besser vorzustellen. Kleine Details lassen das Bild, das man sich von der betreffenden Person macht, oft in einem ganz anderen Licht erscheinen.
… nur meine Meinung. 😉


Ja, ich bin Neuling was Romane betrifft und das hier war mein erster Versuch.
Ich fasse deine Meinung zusammen:Hallo @w74,

  • Weglassen der Überschriften
  • Einen "Nachtrag" anfügen, wo die Links erklärt werden
  • Ein paar kleine Details zu meinen Protagonisten hinzufügen.

Besten Dank für deinen Kommentar!!!

Hallo Achim,
suche nach der „Fugenmasse“, die einzelne Erzählstränge harmonisch zusammenfügt. Automatisch bedarf es anschließend nicht mehr der ohnehin störenden Überschriften. Mit anderen Worten: Betrachte deine Geschichte wie eine Landschaft, die von mehreren Bächen durchzogen wird, welche sich letztlich zu einem reißenden Fluss vereinen.
Anhänge oder Fußnoten haben in einem Roman, Erzählung oder Prosa (wenn möglich) nichts zu suchen. Du, als Autor, solltest es als Herausforderung ansehen, die Information, die der Link liefert, literarisch zu verpacken. Damit weckst du die Neugier des Lesers, an dem es anschließend liegt, nach detaillierten Fakten zu suchen.
Was die Details der handelnden Personen betrifft, ist es eigentlich recht einfach. Wenn ich darüber informiert werde, dass der junge Mann mehr Wert auf einen stramm gezogenen Scheitel, als auf die allgemein übliche Körperhygiene legt, dann greife ich als Leser zu ganz anderen Bausteinen, um den Figuren das Aussehen nach meinen Vorstellungen zu verleihen. Die Bilder im Kopf sind es oft auch, die dich an den Zeilen kleben lassen.
Gruß, Wolfram

Danke!
!BEER

Das Bild mit der Landschaft und den Bächen und dem Fluss gefällt mir. Aber wie soll ich mir die "Fugenmasse" vorstellen? Ist es nicht besser einen harten Cut zwischen den Einzelsträngen zu machen als krampfhaft irgendwelche künstlichen Überleitungen zu konstruieren?
Das mit der charakterbeschreibung ist einleuchtend und werde ich ausprobieren.

Darin besteht die eigentliche Herausforderung. Geschehnisse (Ereignisse) an den unterschiedlichsten Orten miteinander in Bezug zu bringen. Der „harte“ Schnitt (kennst du auch den weichen?) ergibt wenig Sinn, wenn am Ende überall das gleiche Banner mit derselben Botschaft am Horizont aufgezogen werden soll.
Manchmal erfüllt auch die kurze und schmerzlose Variante dieses Unterfangen: »... kein Steinwurf entfernt, nähert sich eine andere Tragödie ihrem dramatischen Finale.«

Danke! Und noch ein
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Danke!
Ohnehin kein Problem, da ich lediglich deiner Bitte um eine subjektive Einschätzung nachgekommen bin.


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